Am Abend des 03. November des Jahres 2000 klingelt das Telefon der Notrufzentrale. Einsatz in Belzig, Weitzgrunder Weg 21. Schon mehrmals in den 7 Jahren zuvor mußten die Kollegen so einen Einsatz auf Leben und Tod fahren. Dem einen oder anderen sagt der Name des Patienten etwas. Belaid Baylal, ein Asylbewerber aus Marokko. In seinem Heimatland kämpft er in Gewerkschaften und der „Partei für Fortschritt und Sozialismus“ für bessere Arbeitsbedingungen, gegen Korruption und organisiert mit Kollegen Streiks. In Folge eines Streiks 1980 wird er inhaftiert und gefoltert. Aus diesem Grund flieht er via Libyen und Algerien in den 1980er Jahren nach Deutschland. 1991 beantragt er Asyl.

Rückblende

Es ist der Abend des 8. Mai 1993. Belaid, 1958 geboren, sitzt mit einem Freund in einer Belziger Kneipe. Einfach mal raus aus der Tristesse des Heimes und des Wartens, mal abschalten, den Kopf frei kriegen, unter Menschen sein. Ein normales menschliches Bedürfnis. Der Abend, der unterhaltsam begann, sollte jedoch tragisch enden. Zwei bekannten Belziger Neonazis, der rechten Skinheadszene zuzuordnen, paßt der Anblick des Marokkaners in der Belziger Kneipe nicht. Ihrer Meinung nach dürfen dort anscheinend nur Deutsche einkehren. Aus Blicken werden Worte, die Worte werden schärfer. Belaid will gehen aber die beiden anderen sind schneller. Draußen vor der Kneipe holen sie ihn ein. Während einer den schmächtigen Belaid packt und seine Arme auf dem Rücken festhält, tritt und schlägt der andere immer wieder in den Magen und den Bauch ihres Opfers. Belaid wird mit schweren inneren Verletzungen in das Belziger Krankenhaus eingeliefert, eine Notoperation rettet sein Leben. Doch wirklich gesund wird er nicht mehr. Immer wieder bilden sich aufgrund der Verletzungen und Vernarbungen in den folgenden Jahren lebensgefährliche Darmverschlüsse. Weitere Notoperationen retten immer wieder sein Leben. In der Nacht zum 04 November des Jahres 2000 ist jedoch jede ärztliche Hilfe vergebens. Belaid Baylal stirbt an den Spätfolgen des rassistisch motivierten Überfalls sieben Jahre zuvor. Die Täter wurden damals nach Jugendstrafrecht verurteilt und kamen mit relativ milden Strafen davon.

Belaids Traum von einem Leben in Sicherheit und Menschenwürde wurde gewaltsam und brutal zerstört.

20 lange Jahre sind seit dem tragischen Tod Belaids inzwischen vergangen. Vieles hat sich in den letzten Jahren verändert, einiges zum besseren. Bad Belzig ist heute nicht mehr auf dem Weg in eine „nationalbefreite Zone“. Ja, Bad Belziger ist inzwischen etwas sicherer für unsere ausländischen Mitbürger und Mitbürgerinnen. Ein Grund sich zurückzulehnen? Nein, auf gar keinen Fall. Auch bundesweit sind Rassismus und Fremdenfeindlichkeit wieder im Ansteigen begriffen. Immer wieder kommt es auch zu gewaltsamen Übergriffen. Dem müssen wir immer und immer wieder unser Engagement und unsere gemeinsame Entschlossenheit entgegensetzen. Es bleibt unsere stetige Aufgabe, die sicher auch in Belaids Sinne ist, immer wieder aufzustehen und laut Nein! zu sagen, wenn Menschen aufgrund ihrer politischen Überzeugungen, ihrer Hautfarbe, ihres religiösen Bekenntnisses, ihres Geschlechtes oder ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert, beleidigt oder angegriffen werden.

Belaid und alle anderen Opfer rassistischer und oder rechtsextremer Gewalt sind nicht vergessen. Sie leben in unserem Andenken weiter.

Die Toten mahnen immer noch!

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